Logistische Herausforderungen in Konfliktregionen

Bremen, 24.02.2021

Wie die BLG-Gruppe ihre Logistikexpertise im Kampf gegen den Hunger einsetzt.

Seit 2012 unterstützt BLG LOGISTICS eine bedeutende internationale humanitäre Institution. Die beiden langjährigen BLG-Hafenexperten Ferdinand Möhring und Wolf Lampe besuchten hierzu mehrmals in den vergangenen Jahren die bedürftigsten Gegenden der Welt. Vor Ort machten sie sich ein Bild von Erreichbarkeit, Infrastruktur, Ausrüstung und Organisationsgrad der Seehäfen und schätzten Umschlags- und Lagerkapazitäten ein. Im Anschluss an jede Reise fassten sie Empfehlungen für die Organisation zusammen, von denen am Ende nicht nur die Häfen selber, sondern vor allem die Menschen in den Krisenregionen profitieren.

Dieser Artikel blickt auf einige besondere Missionen zurück.

MISSION: HAITI UND HONDURAS

Im August 2016 waren die beiden Logistikexperten in Mittelamerika: Ferdinand Möhring inspizierte zwei Wochen lang die Häfen des Karibikstaats Haiti, während Wolf Lampe zwei Wochen in Honduras seine Expertise zur Verfügung stellte. Insbesondere das 11,4 Millionen Einwohner (Stand 2020) zählende Haiti, das sich aufgrund wiederkehrender schwerer Naturkatastrophen, politischer Instabilität und Armut in einem kritischen Zustand befindet, benötigte Hilfe von außen.

Eine funktionierende Infrastruktur ist Voraussetzung für den Empfang, die Lagerung und weitere Verteilung von Hilfsgütern vor Ort“, sagt BLG-Hafenexperte Ferdinand Möhring.


HAITI

Immer wieder werden Straßen, die zum Transport von Gütern genutzt werden, von Schlammlawinen bedeckt. Da es keine geregelte Müllabfuhr oder entsprechende Lagerungs- und Verbrennungsplätze gibt, türmt sich auf den Straßen des Inselstaats der Müll. Dieser, sich nun überall befindliche Müll, versperrt wichtige Wege und entzündet sich aufgrund der Hitze selbst. Hinzu kommt die angespannte Sicherheitslage auf Haiti.

„Nach dem schweren Erdbeben und einer Serie von Hurrikans im Jahr 2010 haben bis heute rund 600 Hilfsorganisationen viel Geld in das Land gebracht“, erklärt Ferdinand Möhring. „Leider wurde dieses Geld nicht gut genutzt, es kommt zu wenig bei den Einheimischen an.“

Gemeinsam mit Abgesandten der Vereinten Nationen untersuchte Ferdinand Möhring die sieben wichtigsten Häfen Haitis und fasste seine Empfehlungen in einem Abschlussbericht zusammen. Die Realität hat jedoch gezeigt, dass die Natur jederzeit Pläne durchkreuzen kann: Wenige Wochen nach seiner Abreise traf die Insel mit Hurrikan Matthew erneut ein schwerer Wirbelsturm. Über 500 Menschen verloren ihr Leben und die Häfen, die ursprünglich zur Versorgung mit Hilfsgütern infrage kamen, wurden zerstört. Die ohnehin schon desolate Lage des Staats verschlechterte sich damit ein weiteres Mal – für Ferdinand Möhring eine niederschmetternde Entwicklung.

HONDURAS

Besser steht es um Honduras. Das rund neun Millionen Einwohner zählende Land in Zentralamerika war im August 2016 Ziel von Wolf Lampes Inspektionstour. Insgesamt fünf Häfen besuchte er zusammen mit dem Logistikleiter des nationalen Büros der Organisation. Aufgrund seiner geographischen Lage ist Honduras sowohl durch Hurrikans als auch durch Erdbeben gefährdet. Regelmäßig erreichen den Staat verschiedene Hilfslieferungen mit Reis, Bohnen und Öl. Diese werden, ebenso wie auf Haiti, hauptsächlich an Schulen verteilt und ermöglichen Kindern, als sogenannte Schulspeisungen, zumindest eine warme Mahlzeit pro Tag. Die Honduras-Mission endete mit einem Termin im Außenministerium in der Hauptstadt Tegucigalpa.

„Insgesamt ist Honduras nicht weit entfernt von einer gut funktionierenden Hafenstruktur an beiden Küsten. Mit überschaubarem organisatorischen Aufwand ließen sich der Warenfluss und damit auch die Umschlagskapazität deutlich verbessern“, sagt Wolf Lampe über Honduras.


TANGANJIKASEE

Im Sommer 2018 war die Logistikexpertise von Ferdinand Möhring ebenfalls gefragt: Diese Reise führte ihn durch den Osten Afrikas – an den Tanganjikasee. In Bujumbura, der ehemaligen Hauptstadt Burundis direkt am See ist es das Ziel, die Wasserstraße des Tanganjikasees zwischen Sambia und Burundi zu beleben. Diese besteht schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wird aber inzwischen nur noch wenig genutzt. Grund dafür sind nicht nur die veralteten Schiffe, die zum Teil bis zu 120 Jahre auf dem Buckel haben und damit stark reparaturanfällig sind. Auch die Häfen selbst am See sind nicht ausreichend ausgerüstet, um größere Ladungsmengen umzuschlagen. So können in Mpulungu, dem einzigen Hafen Sambias, zwar mehrere Schiffe gleichzeitig abgefertigt werden; der kleine Hafen verfügt jedoch nur über einen 20 Meter langen Pier und ist zudem mit einer schlechten Infrastruktur ausgestattet. Im Gegensatz dazu gibt es im Hafen von Kigoma in Tansania, das ebenfalls am Tanganjikasee liegt, sogar eine Werft aus dem Jahr 1913, die immer noch für Reparaturen und Neubauten genutzt wird. Aber auch hier muss die Infrastruktur dringend modernisiert und ausgebaut werden.

Ein weiteres Problem, das alle Häfen am Tanganjikasee gleichermaßen betrifft, ist die Sicherheit. Es fehlt an Arbeitsgeräten und Schutzkleidung, sodass das Handling von Ladung – wie zum Beispiel Zementklinker – lebensgefährlich werden kann. Mithilfe des Projekts sollen die Wasserwege revitalisiert werden, um große Mengen Mais aus dem Agrarland Sambia in das überbevölkerte und verarmte Burundi, aber auch weiter über Ruanda und Uganda bis in den Südsudan zu befördern. Das Projekt ist damit für die Region von großer Bedeutung, denn vor dem Hintergrund des Klimawandels wird Hilfe rund um den Tanganjikasee auch in Zukunft dringend benötigt.

Im November 2018 reiste Ferdinand Möhring erneut an den Tanganjikasee – dieses Mal ging es für sechs Tage in den Kongo. Die Häfen dort heißen Kalemie und Kalundu. Es gibt einen dringenden Investitionsbedarf in Infra- und Suprastruktur. Nach seinen Reisen hat unser Kollege Ferdinand Möhring daher insgesamt 25 Handlungsempfehlungen abgegeben. Auf der ersten Konferenz zu diesem Thema mit der Weltbank hat diese bereits Investitionsbereitschaft signalisiert.

„Der Ostkongo ist Bürgerkriegsgebiet und man sollte sich da nicht unnötig aufhalten“, so Möhring. „Kalemie zum Beispiel ist per Straße gar nicht erreichbar. Insgesamt ist die Infrastruktur katastrophal.“


VIKTORIASEE

Auch, wenn die Analysen die BLG-Experten in viele Länder führen, sind die Bedingungen, unter denen die Reisen stattfinden, oder die Eindrücke, die sie mitnehmen, nicht immer leicht zu verkraften. Denn nicht alle Verbesserungsvorschläge lassen sich so schnell und nicht in dem Umfang umsetzen, wie es wünschenswert wäre. Dennoch haben Ferdinand Möhring und Wolf Lampe es geschafft, durch ihre Empfehlungen regelmäßig Veränderungsideen anzustoßen, die einen guten Grundstein für positive Entwicklungen legen können.

So zum Beispiel auch im Osten Afrikas. An den Grenzen Ugandas, Tansanias und Kenias liegt der größte See des Kontinents – der Viktoriasee. Er birgt das Potenzial, eine zentrale Verbindung zwischen Ostund Zentralafrika zu werden. Aktuell werden bereits hunderte Tonnen Nahrungsmittel täglich zwischen Tansania und Tororo im Osten Ugandas transportiert – allerdings per Lkw. Diese fahren westlich um den Viktoriasee herum. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Deutlich einfacher und effizienter wäre der direkte Weg über den Viktoriasee. Seit gut einem Jahr gibt es sogar eine aktive Eisenbahn-Fährverbindung zwischen Mwanza in Tansania und Kampala in Uganda. Diese ist jedoch kaum ausgelastet.

Ferdinand Möhring war im Februar 2019 als Hafenexperte direkt vor Ort und konnte sich selbst ein Bild machen. Er untersuchte insbesondere die Strecke vom Seehafen Dar es Salaam durch Tansania nach Uganda, wo ein Großteil der Hilfslieferungen benötigt wird. Seine Beobachtungen zeigten: Um Nahrungsmittel effektiver zu verteilen, eignet sich die ugandische Hafenstadt Jinja als Transitort zwischen Tansania und Tororo in Uganda deutlich besser. Doch zur Umsetzung fehlen vier Kilometer an Gleisen zwischen dem Hafen und dem Bahnhof in Jinja.

Was nach einem einfach zu realisierenden Projekt klingt, ist nicht einfach zu realisieren. Die betroffenen Länder Uganda und Tansania scheuten Investitionen: Wenn irgendwann keine Hilfsleistungen mehr über diesen Weg transportiert werden, gibt es womöglich keine weiteren kommerziellen Kunden. Im Zuge dessen lägen die Schienen brach. Daher ist es das Ziel, nicht nur die Strecke zu reaktivieren, sondern auch weitere Kunden als Nutzer für diese Strecke zu gewinnen. Darüber hinaus wurde bereits in die Aufbereitung von 40 Waggons für den Hilfsgütertransport investiert.

Mit den Empfehlungen von Ferdinand Möhring können gezielte Investitionen gefördert und getätigt werden, um in Zukunft mehr Hilfsgüter über den Viktoriasee zu transportieren.


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