Collaboration – die Zukunft der Logistik?

Bremen, 22.10.2021

Der BLG-Vorstandsvorsitzende
Frank Dreeke über Konkurrenz,
Komfort und Kooperationen.

„Kollaboration“, so verrät der Duden, sei eine „gegen die Interessen des eigenen Landes gerichtete Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner“. Zum Glück gibt es auch einen zweiten Gebrauch: bildungssprachlich für „Zusammenarbeit“. Wenn Logistiker klimaneutral werden und Marktbegleiter gemeinsame IT-Plattformen entwickeln, zeugt das in jedem Fall von einem Paradigmenwechsel im Wirtschaftsbereich. Vielfältige Herausforderungen müssen gemeinsam bewältigt werden – aber wie weit können Kollaborationen reichen? Ein Blick in die Praxis zeigt, was heute bereits möglich ist.

„Ist der singuläre Wettbewerb wirklich die effizienteste Methode, die wir kennen, um Leistung hervorzubringen?“

Welche tollen Ergebnisse die Zusammenarbeit von Experten ergeben kann, zeigt das C3 Bremen. Es ist unser neues Leuchtturmprojekt, für das wir in der letzten Woche den Grundstein gelegt haben. Dabei stehen die drei Cs für Customer, Climate und Comfort. Durch eine enge Kooperation mit Immobilienentwickler und Investor entstand ein zukunftsweisendes Logistikzentrum, das neue Maßstäbe für Nachhaltigkeit und Mitarbeitendenbedürfnisse setzt – mit der größten zusammenhängenden Photovoltaikanlage Deutschlands auf dem Dach einer Logistikimmobilie.

Wir sehen auch spannende Ansätze bei unseren Kunden. So haben unsere Kunden Volkswagen und Ford im letzten Jahr eine umfangreiche Allianz für bis zu acht Millionen Nutzfahrzeuge geschlossen. Eine Kooperation solchen Ausmaßes gab es in der Automobilindustrie bislang noch nie. Die Zusammenarbeit der Automobilhersteller erstreckt sich auch auf die Megatrends der Branche: Elektroautos und autonomes Fahren. Bei einem derartigen Umbruch in einer Branche die Stärken zu kombinieren, ist vielversprechend.

Schauen wir in einen Bereich, der in den letzten Jahren einige Wellentäler durchlebt hat: die Containerschifffahrt. Bis zum Jahr 2008 gab es sogenannte Schifffahrtskonferenzen und immer wieder Vessel Sharing Agreements s oder Slot Charter Agreement. Ab 2015 folgten dann die drei großen Allianzen – 2 M , Ocean Alliance und The Alliance – mit folgenden Zielen:

C3 Bremen
Autoterminal Bremerhaven
  • Vergrößerung der geographischen Reichweite, Aufbau eines globalen Netzwerkes an Liniendiensten, Ermöglichen von „one-stop-shopping“ für die Kunden
  • Möglichkeit, den Schiffseinsatz gemeinschaftlich global zu planen und zu koordinieren und so im Vergleich zu einer Einzelplanung zu optimieren,
  • Verteilung des Risikos und der Investitionen auf alle Mitglieder,
  • bessere Ausnutzung von Skaleneffekten und erhöhte Auslastung der Schiffe,
  • kombinierte Marktmacht beim Einkauf von Umschlagleistungen, Hinterlandtransport, Feederdiensten etc.
Containertterminal Bremerhaven

Der Erfolg gibt dieser Konstellation recht: Collaboration ist sinnvoll!

Auch EUROGATE, an der BLG LOGISTICS mit 50 Prozent beteiligt ist, ist schon vor gut 20 Jahren einen damals ungewöhnlichen Weg gegangen, der für weltweites Aufsehen sorgte. Seit 1998 gibt es das North Sea Terminal Bremerhaven, kurz NTB. Es ist ein Joint Venture von EUROGATE und MAERSK Line. Das NTB fertigt als „dedicated terminal“ die Großcontainerschiffe der weltgrößten Reederei auf dem nördlichen Teil der Bremerhavener Containerterminals ab.

Im Frühjahr 2004 hat EUROGATE ein weiteres Joint Venture mit der zweitgrößten Container-Reederei der Welt, der Mediterranean Shipping Company (MSC), gegründet. Das Containerterminal MSC-Gate fertigt auch hier als „dedicated terminal“ verschiedene Liniendienste der Reederei ab.

Das Erfolgsmodell Kooperationen bleibt für EUROGATE aktuell. So wird sich Hapag-Lloyd mit 30 Prozent am Container Terminal Wilhelmshaven (CTW) beteiligen. EUROGATE als Terminalbetreiber hält weiterhin die verbleibenden Anteile. Mit Hapag-Lloyd und MAERSK Line als Kunden wird sich der Tiefwasserhafen weiterentwickeln.

Und auch bezüglich einer Zusammenarbeit von EUROGATE mit der HHLA gibt es weiterhin Gespräche.

Zusammenarbeit mit Logistik-Startups

Von den Traditionsunternehmen zu den neuen Durchstartern. Seitens der BLG fördern wir auch Startups. Junge Unternehmen benötigen einen Andockpunkt, um Anwendungsszenarien realistisch zu prüfen. Junge Wilde treffen auf alte Haudegen, das ist immer eine spannende Mischung, um Potentiale zu heben.

Wir arbeiten beispielsweise mit Just Add AI zusammen. Das Start-Up unterstützt uns bei unseren KI-Aktivitäten. Dazu zählt Intelligentes Dokumenten-Management, KI-basiertes Auslesen von Lieferscheinen und Rechnungen sowie anderen operativen Papieren.

Ein zweites Beispiel ist die Appanion Labs GmbH. Die Hamburger entwickeln datenbasierte Produkte für den Transport- und Logistiksektor mit einem Schwerpunkt zur Optimierung von Nachhaltigkeit in der Transportkette. Mit diesem Unternehmen wollen wir die Emissionen der Transportleistungen für unsere Transporte auf der Straße erfassen.

Eine weitere spannende Entwicklung gibt es im Bereich Kunden und Lieferanten. Das Stichwort ist hier Entwicklungspartnerschaften. Die BLG testet autonome Flurförderzeuge gemeinsam mit Jungheinrich. Ziel ist es hier, dass beide Unternehmen voneinander lernen, wie zukunftsfähige Intralogistikprozesse aussehen können. Herausforderungen gibt es zahlreiche. Zum Beispiel fehlendes GPS in Logistikhallen oder eine logistische Infrastruktur, die wenig Orientierungshilfen für autonome Flurförderzeuge gibt. Auch sind logistische Abläufe, die zuvor für teilautomatische Abläufe gestaltet waren, wichtige Diskussionsthemen. Beide Partner lernen, beide Partner profitieren – klassisches Win-Win.

„Zur Rettung unseres Klimas ist die übergreifende Zusammenarbeit überlebenswichtig.“

Quelle: IAA Mobility 2021

Mobilität der Zukunft

Wenn wir noch einmal den Blick auf die starken Treiber der Veränderung richten, dann darf die Zukunft der Fortbewegung nicht fehlen. Beim Thema Elektromobilität haben sich bereits rund 40 verschiedene Einrichtungen und Unternehmen auf einem Forschungscampus des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vernetzt. In einem Reallabor in Berlin geht es darum, wie Energiewende gelingen kann, z.B. durch die Elektrifizierung von Lkw-Pendelverkehren und Machbarkeitsstudien für den Dauerbetrieb. Auch hier beteiligt sich BLG LOGISTICS, um das Thema Nachhaltigkeit mit Partnern voranzubringen. Denn zur Rettung unseres Klimas ist die übergreifende Zusammenarbeit überlebenswichtig. Auch wenn die BLG sich mit ihrem Ziel der Klimaneutralität bis 2030 bereits vor zwei Jahren auf den Weg gemacht hat und als erster deutscher Logistikdienstleister seine Ziele wissenschaftlich zertifiziert hat, bedarf es einer großen Anstrengung aller, um Emissionen zu sparen.

Damit alle auch die gleichen Ziele im Bereich Nachhaltigkeit vor Augen haben, engagiert sich auch die BVL hier. Es gibt seit einigen Monaten einen Themenkreis ‚Nachhaltig gestalten‘. Er ist eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und Informationen. Hier kommen Mitglieder aus Industrie, Handel, LDL und Wissenschaft zusammen, um über dringliche Fragestellungen im Themenfeld Nachhaltigkeit zu diskutieren und ein besseres Verständnis zu entwickeln, an welchen Herausforderungen die verschiedenen Player arbeiten. Und es soll einen Schritt weitergehen: Es sollen nämlich Lösungen entwickelt werden.

Ein weiteres Beispiel, wie sich Player gegenseitig befruchten, ist die Open Logistics Foundation. Das Stichwort ist hier ‚Communities‘. Gemeinschaftliche Open-Source-Projekte reduzieren Entwicklungskosten und fördern die Konkurrenzfähigkeit des Standorts Deutschland langfristig. Die BLG wird sich auch hier engagieren und Gründungsmitglied des Open Logistics Vereins werden.

Vertrauen und Mehrwert

Damit komme ich zusammenfassend zu den zwei Kernpunkten, wenn es um Kooperation/Collaboration unter Konkurrenten geht: Der erste Punkt ist Vertrauen. Im Bereich der Digitalisierung gibt es viele große und kleine Herausforderungen, die jeder für sich mit viel Anstrengung lösen kann. Zielführender ist es oft, sich gemeinsam, auch mit Marktbegleitern, auf den Weg zu machen. Wir setzen heute bereits an vielen Stellen erfolgreich Open Source Lösungen ein, die wir für uns adaptiert haben. Ich kann nur ermutigen, sich diesen Wegen zu öffnen.

Der zweite Punkt ist Mehrwert. Beteiligte Partner müssen Vorteile haben. Und hier ist es – insbesondere im Bereich Klimaschutz – wichtig, auch langfristig zu denken. Von einer Gemeinwohl-Ökonomie sind wir weit entfernt, aber clevere Kooperationen werden gewinnen.

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